Herr Oenning, wir kennen uns bereits über den Bundesverband der Vertriebsmanager e. V. (BdVM). Stellen Sie sich doch unseren Lesern kurz vor.
Sehr gerne. Ich bin Vertriebsmann, das war ich von Anfang an aus Begeisterung. Es ist einfach unheimlich spannend und verantwortungsvoll, an der Vollendung der Wertschöpfungsprozesse zu arbeiten. Es ist doch so, erst wenn der Kunde sich für die Produkte und Leistungen entscheidet, bekommt alles, was ein Unternehmen tut, einen Wert. Was also kann attraktiver und herausfordernder sein, als für diesen Erfolg zu arbeiten.
Als Berater und mit BATAVER Vertriebsconsulting unterstütze ich seit 10 Jahren Unternehmen bei der Erfolgssteigerung und –sicherung im Vertrieb. Betriebswirtschaftlich fundiert, das ist mein Anspruch, und immer mit dem Blick auf die Menschen im Vertrieb.
Herr Oenning, für Ihre Kunden beschäftigen Sie sich auch mit digitalem Vertriebscontrolling im B2B-Vertrieb. Was treibt Sie an?
Es sind dies besonders die großartigen Möglichkeiten, die sich im Vertriebscontrolling mit der technologischen Entwicklung auftun und die wirklich geeignet sind, das Ergebnis vertrieblicher Arbeit weiter zu verbessern.
Und es ist die Überzeugung, dass Planung, Kontrolle und Steuerung im Vertrieb, gekoppelt an ein wertorientiertes Management der Kundenstruktur, unverzichtbar durch betriebswirtschaftliche Methoden und Instrumente unterstützt werden sollte.
Was hat sich Ihrer Meinung nach im Vertriebscontrolling im B2B-Vertrieb in den letzten 10 Jahren geändert?
Das ist nicht in einem Satz zu beantworten. In manchen Unternehmen hat sich praktisch gar nichts getan, selbst die Excel-Umgebung, in der eindimensionale Umsatzzahlen verwahrt werden, ist womöglich noch dieselbe. Andere Unternehmen jedoch, häufig solche mit vielen Produkten und Kunden, bewegen sich mittlerweile dynamisch in ihren Daten, nutzen Business Intelligence und Analytics-Anwendungen erfolgreich für Ihr Vertriebscontrolling.
Wo sehen Sie den Vertriebs-Controller in 10 Jahren?
Das operative Vertriebscontrolling wird im Vertriebsmanagement noch stärker zum Erfolgstreiber, zum Lotsen und zur unverzichtbaren Entscheidungshilfe, da bin ich sicher.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Digitalisierung im Vertriebscontrolling? Wo sehen Sie den Menschen?
Die Digitalisierung „produziert“ Daten und Informationen in nie gekannter Fülle und Detailtiefe und macht sie gleichzeitig technologisch verfügbar und analysefähig.
Das ist besonders für die Output-Größen des Vertriebs spannend, also die Vertriebserfolgsanalyse und –planung und auch für die Preisdifferenzierung.
Die Input-Größen, also was macht der Vertrieb und was kostet das, die hatte das Vertriebscontrolling auch schon in analogen Zeiten recht gut im Griff. Aber für die Output-Größen, da profitiert das Vertriebscontrolling von der Digitalisierung enorm, und analysiert hoch interessante Zusammenhänge.
Es wird aber immer den Menschen brauchen, der diese Informationen als Entscheidungshilfe versteht und richtig nutzt.
„Die Planung, Kontrolle und Steuerung im Vertrieb, gekoppelt an ein wertorientiertes Management der Kundenstruktur, sollte durch betriebswirtschaftliche Methoden und Instrumente unterstützt werden.““
Wie hat sich Ihr Beratungsgeschäft in den letzten Jahren verändert?
Inhaltlich bildet das praktische Beratergeschäft immer vor allem ab, was die Vertriebsorganisationen beschäftigt. Und das ist mittlerweile natürlich die digitale Welt, die die Vertriebe, nein, die Unternehmen, vor Herausforderungen stellt und genau so auch Chancen offeriert. Betroffen sind alle Bausteine der Marktbearbeitung, von der Strategie, über die Organisation und das Personal, die Technik bis zum abgestimmten Einsatz operativer Instrumente.
Das sehen immer mehr Unternehmen und dadurch sind auch unsere Projekte strategischer, ganzheitlicher geworden. Bis vor einiger Zeit gingen die Erwartung häufig in die Richtung des Kurierens von Einzelsymptomen, nach dem Motto: „Unser Team macht die telefonische Kaltakquise schlecht, was sollen wir trainieren.“ In Wahrheit war das nicht selten schon eine Folge des digitalen Wandels, bloß kundenseitig noch aus der alten, gewohnten Perspektive betrachtet.
Welche Rolle werden Predictive Analytics Lösungen Ihrer Meinung nach spielen?
Besonders in den zahlreichen Unternehmen mit vielen Produkten und Kunden (und das ist nicht nur der Handel) werden Predictive Analytics Lösungen eine sehr wichtige Rolle spielen. Letztlich folgt ja das gesamte Kunden- und Kaufverhalten bestimmten Mustern und Zusammenhängen. Diese Muster zu erkennen, das ist, sobald es um viele Transaktionen geht, nur mit technischer Hilfe möglich. Aber wenn man sie aufgedeckt hat und in die Zukunft abbildet und das leisten ja genau die Prognose Lösungen mit ihren mathematischen Algorithmen, dann hält man einen Schatz in den Händen.
Die Predictive Analytics-Lösungen gehen ja noch einmal über analytisches CRM und BI hinaus und zeigen dem Vertriebsmanagement nicht mehr nur, was heute ist und gestern war, sondern was morgen möglich wird. Eine fantastische Entwicklung und ein echter Quantensprung für die Planung und Steuerung im Vertrieb.
„Vertriebscontrolling profitiert von der Digitalisierung.“
Worin sehen Sie den wesentlichen Mehrwert für eine mittelständische B2B Vertriebsmannschaft?
Wie ich gerade schon ziemlich begeistert geschildert habe: Die Planung und Steuerung und damit auch die konkrete Arbeit am Kunden kann viel, viel fundierter und objektiver erfolgen, weil diese Systeme ja Fakten liefern. Und Zeit wird auch noch eingespart. Das hilft nicht nur dem Vertriebsleiter, sondern ganz besonders auch dem einzelnen Kundenverantwortlichen. Alle gemeinsam erhalten für ihre Arbeit permanent wertvolle Entscheidungshilfen, so dass die Mehrwerte in der „Goldkategorie“ einzuordnen sind: Wettbewerbsvorteile und Wirtschaftlichkeit.
Wie gut ist der Mittelstand Ihrer Meinung nach jetzt aufgestellt?
Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Und das gilt für das Thema Vertriebscontrolling genauso, wie für die übrigen Bausteine des modernen B2B-Vertriebs. Es gibt wie immer die Wachen, Schnellen und Mutigen, ebenso wie die Abwartenden und Langsamen. Und für die letztgenannten wird es Zeit, zu verstehen, dass sich die Rahmenbedingungen auch im B2B-Geschäft so massiv verändert haben. Aber so war es ja immer schon, bedeutsame Veränderungen passieren selten von Mittwoch auf Donnerstag und das vermittelt eben lange Zeit ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Denken Sie nur an die lachend an der Rehling stehenden Segelschiffreeder seinerzeit, als die ersten kleinen Dampfboote durch den Hafen tuckerten. Wobei, um im Bild zu bleiben, der Digitalisierung im Vertrieb schon länger nicht mehr mit „größeren Segeln“ begegnet werden kann.
Wo sehen Sie Schwachstellen im heutigen B2B Vertrieb?
Fangen wir mit dem offenbar unzerstörbaren „Gießkannenprinzip“ an. Es fehlt auf breiter Front an einer zielführenden konsequenten Bewertung und Priorisierung der Kundenstruktur durch die Unternehmen. Kunden sind eben nicht alle gleich, sondern sie sind in vielen Dimensionen von unterschiedlichem Wert für das Unternehmen, denken Sie nur allein an das Potential für künftige Umsätze. Und deshalb „verdienen“ sie auch unterschiedliche Aufmerksamkeit und Ressourcen. Die Gießkanne macht alle gleich, überwässert die einen und verhindert Wachstum bei den anderen.
Für den Vertrieb insgesamt ist eine weitere Schwachstelle, dass es häufig an der wirklichen Anpassung im Rahmen der digitalen Transformation fehlt. Und damit meine ich nicht diejenigen Unternehmen, die quasi gar nicht handeln, über die haben wir ja schon gesprochen. Nein, ich meine die Unternehmen, die erkannt haben, dass Wandel erforderlich ist, dabei aber zu kurz springen. Ich erlebe immer wieder, dass die Vertriebsstrategien nur ein Facelift erfahren, nicht aber die sinnvolle Neukonstruktion. Es reicht eben nicht, einfach ein Shopsystem in die Homepage zu integrieren. Man muss sich unter anderem auch fragen, ob die angesprochenen Kunden, der Kundennutzen oder die Preisgestaltung noch stimmig sind. Sind die Prozesse zur Kundengewinnung noch zielführend im persönlichen Verkauf angesiedelt, welche Rolle spielt das Marketing?
Und apropos persönlicher Verkauf: Eine Schwachstelle im heutigen B2B-Vertrieb ist nach meiner Überzeugung auch, dass die Unternehmen noch keine echten Antworten auf die personalwirtschaftlichen Herausforderungen gefunden haben. Wo ist der effektive und effiziente Platz für den Menschen im digitalen Vertrieb? In der Neukundengewinnung, im Kundenausbau? Was muss er heute und künftig können? Und wie gewinnen und binden wir Könner für den Vertrieb in den Zeiten des auch demographischen Wandels?
„Ich erlebe immer wieder, dass die Vertriebsstrategien nur ein Facelift erfahren, nicht aber die sinnvolle Neukonstruktion.“
Nach unseren Beobachtungen ist Excel in vielen mittelständischen Unternehmen immer noch das Tool der Wahl, wenn es um Kundenanalyse geht. Woher kommt dieses Vertrauen auf ein fehleranfälliges und zeitraubendes Tool?
Da lässt sich einerseits wieder das Bild der Veränderung vom Segel- zum Dampfschiff anbringen. Gewohntes ist eben vertraut und außerdem hat man eben schon ein Segelschiff, das leidlich fährt. Wieso da investieren, wenn man sich doch noch der vermeintlichen Mehrheit zugehörig fühlen darf. Dass dann andere für sich den Wettbewerbsvorteil gewinnen, wird dabei nicht gesehen. So ist das auch bei Excel im Vergleich zu modernen Controlling-Tools.
Andererseits ist jede halbwegs gelungene Excel-Tabelle eben auch von jemanden ins Leben geholt worden, der dann häufig sehr daran hängt. Und natürlich kann Excel in den richtigen Händen nach wie vor auch nützlich sein.
Ob analog oder digital – Welche ist für Sie die beste B2B Vertriebsmaßnahme?
Na, das ist leicht: Immer die, die im Rahmen der Möglichkeiten den größtmöglichen Erfolg macht.
Vielen Dank für dieses Interview, Herr Önning.
Über Thilo Oenning: Thilo Oenning ist Geschäftsführer der BATAVER Vertriebs GmbH aus Düsseldorf und unterstützt Unternehmen bei der betriebswirtschaftlich fundierten Erfolgssteigerung und –sicherung im Vertrieb. Der Beratungsansatz integriert die Aspekte der Strategie, Organisation und Steuerung sowie des Personals im B2B-Vertrieb. Seit 2006 begleitete er mehr als 100 Projekte für Vertriebsorganisationen. Zuvor arbeitete er in vertrieblichen Fach- und Führungspositionen bei Großunternehmen und erfolgreichen Mittelständlern aus Industrie und Dienstleistung. Er ist Diplom-Kaufmann mit dem Schwerpunkt Marketing und Vertrieb und einem Abschluss der RWTH Aachen